Samstag, 17. Dezember 2011

"Runder Tisch"

Lange geplant, glücklich verwirklicht: Unserem Rektor, P. Tomas Garcia, und unserem Bischof Josef Werth gelang es, Vertreter verschiedener Konfessionen (Orthodoxe, Baptisten, Lutheraner) zu einem "runden Tisch" zu versammeln. Thema: "20 Jahre Religionsfreiheit in Russland". Insgesamt war es ein sehr gelungenes Treffen, auch menschlich verlief es sehr angenehm. Nach einem einführenden Vortrag eines Religionswissenschaftlers hatte jeder Vertreter die Möglichkeit, sieben Minuten über seine Erfahrungen zu berichten. Danach kam es zu einem kleinen Austausch. Entscheidend war die einhellige Überzeugung, gemeinsam zum Aufbau einer Zivilgesellschaft beitragen zu wollen. Auch das Verständnis füreinander war groß. Wichtig wäre es, konkrete Fragen (z. B. auf dem Gebiet des Sozialen und der Ökologie) nun auch gemeinsam anzufassen. Aber bis dahin wird es wohl noch ein langer Weg.

Was ermutigt: Seit längerem schon bereiten z. B. die Mutter-Teresa-Schwestern in Novosibirsk die Bewohner ihres Heimes, fast alles Orthodoxe, vor großen Festen auf die Beichte vor, und dann kommen zwei Priester, um die Beichten der Leute zu hören. Für diese orthodoxen Priester ist es wohl eine große Freude, zu erleben, dass sie auf diese Weise mit der katholischen Kirche zusammenarbeiten können. Auf diese Weise ergibt sich wohl Schritt für Schritt ein immer besseres Miteinander.

Dienstag, 13. Dezember 2011

Nach zwei Wochen in Deutschland ...

... bin ich nun froh, wieder in Sibirien zu sein. Der Seminarbetrieb geht in die letzte Phase vor den Weihnachtsferien. Das heißt, die Seminaristen werden jetzt noch Prüfungen haben (u. a. bei mir in Deutsch und Latein) und danach abreisen. Wir selber werden dann zu Weihnachten ebenfalls in Pfarreien mithelfen. À propos Weihnachten: In Russland wird das Weihnachtsfest selbst nicht sehr beachtet, schon gar nicht das "katholische". Aber Bräuche wie Tanne u. ä. werden mit Neujahr verbunden. Und hier spürt man wohl noch ein wenig mehr als in Deutschland, was es heißt, dass die Tage kurz sind, und wie sehr darin ein Neuanfang liegt, wenn sie wieder länger werden. Also: allen einen gesegneten Advent!

Montag, 28. November 2011

Ein Besuch in der Provinz

Am ersten Adventswochenende bin ich zusammen mit zwei Seminaristen etwa 300 km aufs Land hinausgefahren. Dort leben noch einige Katholiken mit deutschen Wurzeln, denen ich eine kleine Einführung in den Advent geben durfte. Zwei Priester mühen sich dort redlich ab, Kranke zu besuchen, junge Leute in die Kirche einzuladen und den Glauben zu verkünden. Aber es ist sehr mühsam: In drei kleinen Städten mit jeweils 10-30.000 Einwohnern gibt es jeweils unter zehn Kirchgängern, obwohl vermutlich viele hundert katholische Wurzeln haben und von diesen sicher nur ganz wenige eine andere religiöse Heimat gefunden haben. Aber es gibt Lichtblicke, denn einzelne junge Leute interessieren sich für den Glauben, und in einem Städtchen wird es wohl bald eine kleine Kirche geben. Der Pfarrer, ein junger einheimischer Priester, ist zuversichtlich, dass die Pfarrei das sogar im wesentlichen selbst bewerkstelligen wird, weitgehend ohne Hilfe aus dem Westen. Wie dem auch sei: Am Sonntagabend kamen wir alle drei nach zwei ereignisreichen Tagen wieder froh und ermutigt nach Novosibirsk zurück.

Mittwoch, 16. November 2011

Dostojewski

Meine erste Reise in der Umgebung hat mich vor einem Monat nach Omsk geführt. Was mir damals nicht bewusst war: Omsk spielt eine wichtige Rolle im Leben von Fjodor Michajlowitsch Dostojewski. Denn der Schriftsteller war von 1850-1854 dort in der Katorga (Zwangsarbeit). Da 2011 ein Dostojewski-Jahr ist (190 Jahre nach seiner Geburt, 130 Jahre nach seinem Tod), hat unser Kulturzentrum ihm auch gleich eine Veranstaltung gewidmet, einen sehr anregenden Vortrag zweier Philosophen zum geistlichen Gehalt seiner Ethik. Die beiden (etwa 60 Jahre alt) betonten sehr stark das Geistliche, ja "Fromme", und das Individuelle bei Dostojewski. Das Soziale kam weniger in den Blick. Wahrscheinlich hatten sie aus der Sowjetunion genug davon ... Unbedingt vorgenommen habe ich mir nach diesem Vortrag die Erzählung: "Der Traum eines lächerlichen Menschen".

Freitag, 11. November 2011

Eröffnung

Am 8.11. wurde das neue Diözesanzentrum neben dem Kathedrälchen von Novosibirsk eröffnet, und damit auch unsere Bibliothek und unser Kulturzentrum. Nun fangen auch unsere Veranstaltungen an, zu Themen aus Geschichte und Kultur, Spiritualität und Psychologie, auch ein Kinoclub usw. Bleibt zu hoffen, dass sie angenommen werden ...

Übrigens: Wer uns konkret helfen möchte: Insbesondere brauchen wir Geld, um den Bestand unserer Bibliothek immer wieder zu ergänzen. Diese wird tatsächlich sehr lebhaft angenommen, nicht zuletzt von Orthodoxen und Protestanten.

Dienstag, 1. November 2011

Der Winter ist da!

Zwischen der Kirche und unserem Haus steht der erste Schneemann, gebaut von zwei Ordensschwestern. Das heißt: Der Winter ist da, und zwar, wie alle sagen, wie jedes Jahr ist er plötzlich gekommen. Das heißt: Überall liegt Schnee, manche Hauseingänge sind rutschig, v. a. da, wo z. B. Ladenbesitzer besonders modern und "stylish" sein wollten, wenn ich die Straßenunterführung bei uns nutze (sie ist zugleich unterirdisches Kaufhaus), dann beschlägt die Brille usw. Insgesamt ist aber die Stadt gut auf Schnee und Kälte eingestellt. Nur: morgen ist Allerseelen, d.h. Prozession auf dem Friedhof, und angekündigt sind - 8° C. Aber das wird schon hinhauen ...

Samstag, 29. Oktober 2011

Überlegungen zur Lage der Kirche

Während ich durch mein Fenster auf den ersten Schnee schaue, genieße ich einen freien Samstag. Den möchte ich nutzen, um ein paar Überlegungen zur Lage der Kirche zu formulieren, die - glaube ich - in Deutschland ihre Bedeutung haben, aber vielleicht auch weltweit, vielleicht auch in Sibirien interessant sind.

Manche beklagen, nach den Zweiten Vatikanischen Konzil sei der große Aufbruch ausgeblieben. Ich behaupte: Er konnte noch gar nicht kommen. Die Zeit, in der wir die Dokumente des Konzils wirklich nutzen können, kommt erst noch.

Wieso meine ich das? Ich denke, immer wieder hat die Kirche zum Ende einer Epoche hin etwa 60, 70 Jahre gebraucht, um sich auf die neue Zeit einzustellen. Und die Zeit dazwischen wurde v. a. als Zeit des Verfalls und Abbruchs empfunden. Beispiele: 313 wurde der Kirche im Römischen Reich erst Toleranz und dann Förderung gewährt. Aber erst nach dem Konzil von Konstantinopel (381) war sie auf die neue Lage eingestellt, sie hatte sich aus falschen Umklammerungen durch die Kaiser befreit, Mönche und Nonnen hatten sich etabliert, theologische Streitigkeiten, durch welche die Kirche kurz vor dem Zerreißen stand, wurden beigelegt.

Um 1500 fand der Aufbruch in die neue Zeit statt, aber erst ab 1563, nach dem Konzil von Trient, war die Kirche darauf eingestellt und konnte, um nur ein Beispiel unter vielen für Neues zu geben, auf drängende Glaubensfragen Antworten geben, die man in Katechismen nachlesen konnte.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts (z. B. Jesuitenverfolgungen) brach die "Einheit von Thron und Altar" auseinander, aber erst um 1830 war die Kirche mehr oder weniger darauf eingestellt, Volkskirche zu sein.

Warum sollte es in unserer Zeit anders sein? Ich denke, der Mensch trennt sich ungern von Bestehendem, solange es noch funktioniert. Aber es scheint, dass der Abbruch des etablierten kirchlichen Milieus, dessen Beginn man gerne mit 1968 ansetzt, weit fortgeschritten ist. Vielleicht kann jetzt wirklich etwas Neues kommen, z. B. Respekt vor dem Gewissen der Gläubigen statt klerikaler Entmündigung von "rechts" oder "links", echte Zusammenarbeit zwischen Priestern, Ordensleuten und Laien, Haupt- und Ehrenamtlichen, Einsatz der Kirche für Gerechtigkeit und das Licht des Glaubens in einer komplizierter werdenden Welt. Wir werden es erleben - weltweit.

Freitag, 28. Oktober 2011

Zehn Tage in Moskau

Eine schöne Erfahrung war für mich, dass ich in den letzten Tagen in Moskau Exerzitien für Mutter-Teresa-Schwestern geben durfte. Die Schwestern (insgesamt 10) kamen aus halb Russland: aus Petersburg, Moskau, Perm am Ural, Novosibirsk und Tomsk in Sibirien. Die Schwestern aus Sibirien haben mir erzählt, dass sie als Gruppe gereist sind und im Liegewagenzug unterwegs (drei Tage dauert die Fahrt) Stundengebet gebetet und auf Englisch gesungen haben usw. Natürlich waren sie alle im weißen, blaugestreiften Sari. Das muss für die Mitreisenden sehr spannend gewesen sein, aber auf Zugreisen durch Russland geht es ohnehin sehr kommunikativ zu, man kommt leicht ins Gespräch und tauscht sich aus. Aber katholische Ordensschwestern sind natürlich etwas Besonderes.

Das "Exerzitienhaus" der Schwestern liegt neben einem Kinderheim, das sie betreiben, ganz am Stadtrand von Moskau, nahe an einem großen Waldgebiet. Dort leben 15 geistig und teils mehrfach behinderte Kinder und Jugendliche. Da ich selber nicht Exerzitien gemacht habe, also reden durfte, konnte ich ein bisschen Bekanntschaft mit den Kindern und Jugendlichen schließen. Was man sagen muss: In einem Land, wo sonst Behinderte fast nur "verwahrt" werden, leisten die Schwestern und ihre Mitarbeiter sehr gute Arbeit, v. a. geben sie menschliche Zuwendung.

Nach dieser sehr schönen Erfahrung freue ich mich nun, dass ich wieder "daheim" in Novosibirsk bin. Denn "daheim" fühle ich mich hier wirklich schon ein bisschen, das habe ich gemerkt, als ich nicht vor Ort war. Der Alltag geht weiter. Und demnächst eröffnen wir unser "kulturelles Zentrum". Aber darüber später ...

Freitag, 23. September 2011

Gesundheitsuntersuchungen

Da ich eine zeitweilige Aufenthaltsgenehmigung beantragen will, brauche ich bestimmte Dokumente, darunter einige ärztliche Bestätigungen, nämlich dass ich nicht HIV-positiv bin, keine Tuberkulose habe usw. Also bin ich in den letzten Tagen zu einigen Gesundheitsbehörden gegangen. Faustregel: Wo eine Reihe von Usbeken, Tadschiken, Kirgisen steht (man fasst diese Leute mit dem schönen russischen Wort "gastarbajtery" zusammen), da bin ich richtig. Dann heißt es sich hinten anstellen. Nein, heißt es eigentlich nicht, denn man steht nicht hintereinander, sondern wer ankommt, der fragt: "Wer ist der Letzte?", denn dann weiß er, nach wem er dran ist. Beim Warten ergeben sich manche interessante Gespräche. Leute aus Zentralasien sind oft sehr offen und direkt, sie fragen, wie viel Geld man verdient, ob man verheiratet ist und Kinder hat. Alles Fragen, die für einen Ordensmann gar nicht so leicht zu beantworten sind, v. a. gegenüber Muslimen, die von katholischer Kirche sicher noch nie gehört haben ... Die staatlichen Gebäude, in denen diese Untersuchungen stattfinden, sind übrigens nach draußen und im nicht-sterilen Bereich (Anmeldung u. a.) in einem beklagenswerten Zustand, der medizinisch relevante Bereich scheint mir aber voll auf der Höhe. Nur Pflaster gibt es nach der Blutabnahme nicht, man muss die Watte einige Zeit auf die Einstichstelle halten. Alle Ergebnisse kamen übrigens schnell und klar, nur das viele Hin- und Herfahren in Bussen war etwas lästig. Alles in allem: eine durchaus nicht schlechte Erfahrung, und eine gute Übung in Sachen Inkulturation.

Montag, 19. September 2011

Ein erster Gruß aus Novosibirsk

Hier entsteht nun ein Blog. Ich habe zwar noch nie an einem Blog mitgeschrieben und nur ganz selten in einem gelesen, aber vielleicht mache ich doch diese und jene Erfahrungen, die sich lohnt zu teilen.

Seit knapp drei Wochen bin ich nun in Novosibirsk und erlebe hier viel Interessantes, Bewegendes, Gemischtes ... Was mich sehr beeindruckt, ist das grundsätzliche Wohlwollen, das ich hier oft erlebe. Viele Menschen sind gerne bereit, etwas zu erklären oder zu helfen. Nach und nach werde ich darüber, und noch über vieles andere, berichten.