Dienstag, 31. Januar 2012

Reisen in Russland

Mit dem Zug durch Russland zu fahren, ist immer wieder etwas Besonderes. Es empfiehlt sich sehr, mit dem "Plazkartnyj", d. h. dem Liegewagen 3. Klasse, zu fahren. Dabei handelt es sich um einen grundsätzlich durchgängigen Waggon, der aber durch dünne Wände doch unterteilt ist. Allerdings ist der Gang offen. Essen sollte man mitbringen, einen Becher und heißes Wasser für Tee bekommt man gestellt. Manche Leute richten sich an ihrem Platz fast ein bisschen wie in einer kleinen Wohnung ein -kein Wunder, wenn manche vier, fünf Tage lang am Stück unterwegs sind.

Ich selber war nun nicht vier Tage lang unterwegs, aber doch eineinhalb Tage von Novosibirsk nach Tscheljabinsk und wieder eineinhalb Tage zurück. In dieser Zeit habe ich einen Kirgisen kennengelernt, der von seiner Frau und Tochter in Tschita (das liegt im Fernen Osten) zur Arbeit nach Tjumen in Westsibirien fuhr. Er hat mir als Muslim und Orientale seine Meinung dargelegt, dass bei den Christen die Vergebung der Sünden eine zu große Rolle spielt und dass es bedauerlich sei, dass bei den Christen die Frauen zu viel Macht haben und sich zu schamlos in der Öffentlichkeit zeigen (d. h., dass der Gast überhaupt die Frau seines Gastgebers sieht, ist für ihn schon eine unnötige Versuchung zum Ehebruch). Später saß im Zug eine Gruppe von jungen Frauen mit ihren Töchtern, die von einem Ballettwettkampf heimfuhren. Für sie war ein katholischer Priester im Abteil erstens eine kleine Sensation, aber zweitens eine willkommene Gelegenheit, über die verschiedensten Gewissensfragen zu sprechen. Eine Frau erzählte, sie sei mit achtzehn auf ihren eigenen Wunsch orthodox getauft worden. Von der Kommunion wusste sie aber so gut wie nichts, und zur Beichte traut sie sich nicht, weil sie orthodoxe Priester als unnahbar empfindet. Interessant:  Hier habe ich schon mehrfach gehört, wie demokratisch, modern und aufgeschlossen doch die katholische Kirche sei ...

Schließlich habe ich noch einen jungen Baschkiren kennengelernt, einen Muslim aus dem südlichen Ural, der auf der Reise war, um im äußersten Norden Russlands in einem Bergwerk sein Berufsleben zu beginnen. Man darf ihm dazu wohl viel Glück wünschen ...

Exerzitien

Nun komme ich endlich dazu, etwas zu schreiben über die Exerzitien, die unsere Seminaristen gemacht haben: Vom 9.-17. Januar waren wir im Exerzitienhaus der Jesuiten, am Stadtrand. Es versteht sich, dass dort jeder einzeln im Gebet seinen Weg mit Gott gegangen ist (deshalb kann man über Exerzitien auch so schwer etwas schreiben). Beeindruckend waren die Ernsthaftigkeit der jungen Männer und ihr Wunsch nach Gebet und Stille. Ihnen geht es nicht darum, sich später einmal als Priester darstellen oder in den Mittelpunkt rücken zu können. Hoffentlich hält sich das während der kommenden Jahre im Seminar in St. Petersburg.

Donnerstag, 12. Januar 2012

"Orthodoxes Weihnachtsfest"

Am 7. Januar war es so weit: der Weihnachtstermin der Ostkirche. In der Stadt findet dieser Tag nicht sehr viel Beachtung, immerhin sind viele Geschäfte geschlossen. Aber was erfreulich ist: Auf immer mehr Plakaten wird nicht mehr nur zu Neujahr, sondern zugleich zu Weihnachten gratuliert. Und auch immer mehr junge Leute wünschen "frohe Weihnachten". Gerade in der Öffentlichkeit findet also die Religion immer mehr Beachtung. Auch waren im Lauf des Tages sehr viele Menschen in den orthodoxen Kirchen, um zu beten oder Kerzen anzuzünden - gerade auch Familien mit Kindern. Ein Familienfest ist Weihnachten aber nicht, das ist und bleibt wohl Neujahr.

Dienstag, 10. Januar 2012

Wissenschaft und Glaube

Es war ein großes Ereignis, dass Pater José Funes SJ, der Direktor der päpstlichen Sternwarte ("Specola Vaticana": http://de.wikipedia.org/wiki/Specola_Vaticana), bereit war, ausgerechnet in Novosibirsk darüber zu sprechen, wie sich (seine) Wissenschaft und christlicher Glaube zueinander verhalten. Das Interesse sprengte die Dimensionen des Saales, über 70 Personen nahmen an dem Vortrag teil. Für nichtkatholische Teilnehmer (das war wohl etwa die Hälfte) war es besonders erhellend, zu erleben, dass hier ein katholischer Priester nicht um jeden Preis Recht haben, sich nicht "durchsetzen" will, sondern bereit ist, sich den Fragen der Wissenschaft zu stellen. Und für die Katholiken war es sicher etwas Besonderes, zu sehen, dass katholische Priester und Ordensleute durchaus in der "ersten Liga" einer (allein schon durch ihre Dimensionen) beeindruckenden Wissenschaft wie der Astronomie mit dabei sind.

Montag, 9. Januar 2012

"Ferien mit Gott"

In den Ferientagen nach Neujahr fand am Stadtrand eine kleine Jugendfahrt statt, organisiert von zwei Ordensschwestern. Fünfzehn Jugendliche und vier Kinder haben daran teilgenommen. Leider hatte ich selber nicht genug Zeit, um ganz daran teilzunehmen, dadurch ist mir Skifahren und ähnliches entgangen. Aber an drei Vormittagen konnte ich mit den Jugendlichen ein paar kleine Besinnungstage gestalten zum Thema "Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft". Beeindruckend war vor allem, wie offen in kleinen Gruppen die Teilnehmer über Enttäuschungen aus der Vergangenheit gesprochen haben (und davon gab es viele, nicht zuletzt durch die Eltern verursacht ...), aber auch über ihre Ideen und Ziele für die Zukunft. Im Rahmen dieser Besinnungstage haben wir dann auch eine Gebets- und Beichtzeit gehalten, die, scheint mir, für manche ziemlich wichtig war, um mit Gott einen kleinen Neuanfang zu wagen. Es war wie oft in der Seelsorge: Die eigentlich Beschenkten waren wir, die Schwestern und ich.

Montag, 2. Januar 2012

Weihnachten, Neujahr und bald wieder Weihnachten

Dieses Jahr war eine große Ausnahme: Der 25. Dezember ("katholisches Weihnachten" nennt ihn der Volksmund) war ein Sonntag und deshalb Feiertag für alle. Wenn er mitten in der Woche liegt, dann ist er dagegen ein ganz normaler Arbeitstag. Nur die Christmette kann gefeiert werden, und dann wieder eine Messe am Abend des 25. Diesmal war es aber, wie gesagt, anders.

Die Weihnachtstage habe ich diesmal in Kujbyschew verbracht, etwa 300 km westlich von hier, um dem dortigen Pfarrer zu helfen. So konnte er dann Gottesdienste in den Dörfern feiern. Danach waren wieder einige ganz normale Arbeitstage, und dann kam das russische Großfest: Neujahr. Baum, Lametta und Geschenke werden erst zur Neujahrsnacht gebraucht, ansonsten natürlich Feuerwerke, Sekt und manchmal Wodka. Man "begleitet" und verabschiedet das alte Jahr und begrüßt dann das neue (mit sehr kurzer Ansprache des Präsidenten, Kreml-Glocken und Hymne). Das setzt natürlich voraus, dass man einen Fernsehsender erwischt, der die für uns richtige Uhrzeit hat (drei Stunden früher als Moskau).

Nach Neujahr kommen dann einige arbeitsfreie Tage, und der eigentliche Alltag beginnt erst wieder am 9.1.

Weihnachten feiern die russisch-orthodoxe Kirche und die griechisch-katholische Kirche in Russland dann am 7. Januar, weil sie sich nach dem Julianischen Kalender richten, der sozusagen 13 Tage "nachgeht".